Zuerst mal was positives: Im Gegensatz zu vielen Alternativen am Markt, ist das Fairphone zumindest mal ein Versuch, nicht nur Geld zu machen, sondern auch Bewusstsein zu schaffen, für eine Problematik, die die Marketing-Industrie der Smartphone-Konkurrenz (bzw. generell die Consumer Electronics Industrie) gerne unterm Tisch fallen lässt. Und sofern die Konsument_innen ihre Kritik nicht dabei belassen und glauben, dass mit ihrer finanziellen Unterstützung eines Projekts alles getan ist, habe ich auch keine größeren Bedenken gegen Fairphones als solche. Im Gegenteil, glaube ich dass es einige Dinge richtig macht, die alle anderen Hersteller_innen beachten sollten:
- Bewusste(re) Auswahl der Rohstoffe.
- Für etwas Transparenz der Produktionsbedingungen sorgen. (Ob die Transparenz ausreicht, ist eine andere Frage…)
- Durch Hardware-Design und leicht ersetzbare Komponenten die Langlebigkeit des Produkts erhöhen.
- Den ganzen Produktzyklus im Auge behalten und sich auch für Entsorgung und Wiederverwertung interessieren.
- Entwicklungsplan für die Zukunft haben.
Und das sind schon einige Dinge, aber nachdem ich hier keine Werbung machen wollte, muss ich doch sagen: irgendwas stört mich an der Message “consuming is a political act” und dass das einzige Problem die fehlende Wahl wäre – wo’s jetzt zum Glück dank Fairphone Abhilfe gibt. Ein Produkt, welches man kaufen kann, um die Welt zu verbessern. Es ist noch nicht da, wo es sein möchte, aber mit der finanziellen Unterstützung der Konsument_innen wird es das bald sein. (So das Verkaufsargument.)
Nevermind, dass der Wunsch, mit dem Kauf keine Konflikte zu finanzieren, eventuell unvorhergesehene Nebenwirkungen hat (wobei der Artikel zugegebenerweise nicht aktuell ist und sich seitdem viel getan hat) und dass die Ideologie des Fairen Handels nicht darauf aus ist, die globalen Verhältnisse zu ändern, sondern (mal abgesehen davon, dass es jetzt eher eine Marktnische ist) eher dabei ist (wäre), diese zu zementieren. (Das Bild ist klar, also wo produziert wird vs. wo konsumiert wird.)
Blutige Handys wegen 3TG – Conflict resources
Tin (Zinn), Tantalum (Tantal), Tungsten (Wolfram), Gold sind Elemente, die in der Unterhaltungsindustrie sehr wichtig sind, aber die generell eine eher komplexe, geopolitische Angelegenheit sind. Grund dafür ist, dass gerade die 3TG in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut werden und sich bewaffnete Milizen mitfinanzieren. Die Problematik wird seit den späten 90ern aufgezeigt, im Jahr 2001 gab es einen Bericht der UN dazu und seit 2010 gibt es in den Vereinigten Staaten den Dodd-Frank-Act (der Firmen dazu zwingt, ein bisschen transparenter zu sein und zu versuchen, die Produktionskette bis zur Mine zurückzuverfolgen.). Interessanterweise hat Australien seit genau diesem Jahr aufgehört, Tantal abzubauen (wobei die zeitliche Korrelation nicht notwendigerweise kausal zusammenhängt). Ich weiß grad nicht, was der Stand in der EU ist und ob sich die EU schon zu etwas verbindliches durchringen konnte,
Die U.S. Geological Survey (USGS) hat jetzt einen ersten Report über Wolfram rausgebracht, der eher ernüchternd ist, indem was er aufdeckt. Interessanter ist da der Versuch der USGS im Jahr 2013 die Produktionskette für Tantal zurückzuverfolgen. Oder der Versuch von Finnwatch & Swedwatch einen Überblick über die Problematik (Broschüre “From Congo with [no] blood”, Stand Dezember 2012) rauszugeben.
Treffend ist der Kommentar im WSJ, dass laut dem U.S. Department of Commerce die Konfliktmineralstoffe zu schwer rückverfolgbar wären. Ob es letztlich ein sinnloses oder gar schädliches Unterfangen wäre, kann ich nicht beurteilen.
Wohin mit der Kritik?
Ich würd mir wünschen, dass so Initiativen auch dazu aufrufen würden, dass eine politische Änderung notwendig ist. Und dass auch irgendwo die Frage gestellt wird (neben anderen), brauch ich überhaupt so ein Gadget? (Dass sich nicht alle sowas leisten können, ist ein anderes Problem.)
Das Problem ist nicht (nur), dass Blut an unseren Handys klebt und die Welt in Ordnung wäre, wenn es das nicht mehr täte (also dass meine Verantwortung mit der Entscheidung für ein Fairphone endet). Polemisch gesagt, geht’s dabei um koloniale Kontinuitäten, bei der die ehemaligen Kolinalisten (sogenannte Industrieländer) massivst profitieren, während den sogenannten Entwicklungsländer gesagt wird, dass sie sich nur weiterentwickeln müssten. An einer globalen Lösung oder Umdenken scheinen die Unternehmen nicht wirklich interessiert (im Kapitalismus kein Wunder, geht’s da doch um Profitmaximierung).
Wie so oft habe ich keine Lösung fürs Problem, wobei so etwas wie »Extraterritorial Obligations« schon etwas sein könnten, die global sinnvoll wären (weil’s teilweise auch lächerlich ist, was die UN so leisten kann und wenn ich eine Rede von Ban Ki-Moon höre, denke ich auch eher an eine Schallplatte mit Sprung, als an eine Person, die relevante Dinge zu sagen hat…). Ich denk aber, dass es sich viele Menschen, Initiativen und Unternehmen zu einfach machen und das mit dem sozial-verträglichen Kapitalismus eine fette Lüge. Weitere Probleme (Arbeitsbedingungen, Probleme für die Umwelt) würde ich in zukünftigen Artikeln kritisch beleuchten. (Sorry for the mess.) Derweil der Teaser vom Weitblick:
Umwelt- und Menschenrechtstandards sind eher schmückendes Beiwerk als Kernbestandteile der Rohstoffstrategie. Eine Strategie hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die unter anderem Ansätze wie längere Nutzung oder Recycling ins Zentrum stellt, lässt sich daraus nicht ablesen.